Angespannte Seile Ambiguitätstoleranz

Ambiguitätstoleranz (Teil II) – Unsicherheiten und Widersprüche aushalten lernen 

Ambiguitätstoleranz beschreibt die Fähigkeit, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche aushalten sowie diesen offen und konstruktiv begegnen zu können. Personen mit geringer Ambiguitätstoleranz erleben durch das Gefühl der Ohnmacht meist starken Stress und sind in ihrem freien Denken und entschlossenen Handeln eingeschränkt. Eine hohe Ambiguitätstoleranz dagegen bedeutet unter anderem weniger Aufregung, größere Perspektivenfalt, höhere Flexibilität sowie verbesserte Konfliktlösungsstrategien. Insbesondere Führungskräfte tun gut daran, aufgrund der zahlreichen Veränderungen in der VUCA-Welt, ihre Ambiguitätstoleranz zu stärken, um auch zukünftig im Geschäftsumfeld erfolgreich handeln zu können.

Diese Kernpunkte gingen aus unserem ersten Blogbeitrag zum Thema Ambiguitätstoleranz hervor. Heute soll es darum gehen, wie die eigene Ambiguitätstoleranz nachhaltig gestärkt werden kann, um langfristig positive Effekte zu bewirken. Hierfür möchten wir mit einem Beispiel aus dem Unternehmensalltag starten.

Praxisbeispiel: Entscheidungen treffen in unsicheren und komplexen Zeiten der Veränderung

Die Neuausrichtung der Klotz GmbH – vom bisherigen manuellen Produktionsprozess hin zum verstärkten Einsatz von KI-Robotern und der Einführung von selbstorganisierten Arbeitsgruppen – wird von der Gesellschafterversammlung genehmigt und freigegeben. Der Geschäftsführer Markus Hansen hatte in den letzten Monaten konzentriert auf diese Entscheidung hingearbeitet. Gemeinsam mit seiner Personalleiterin, Katrin Balter hat er alle Führungskräfte informiert und auch schon früh in den Prozess einbezogen. Es herrschte Einigkeit in der Führungsmannschaft, dass es zur vorgeschlagenen Neuausrichtung keine Alternative gibt. Und auch die Gesellschafter waren sich einig und stimmten zu. Soweit, so gut. Hansen möchte loslegen.

Doch die Welt dreht sich weiter und plötzlich erhöht neben der Pandemie und der Halbleiter-Krise der Ukraine-Krieg die Unsicherheit einer Investition in die neue KI-gesteuerte Roboteranlage. Es sollte die größte Investition der letzten 30 Jahre der Klotz GmbH werden – doch kann dies unter den aktuellen Umständen überhaupt noch sinnvoll sein? Markus Hansen zerbricht sich den Kopf, versucht verlässliche Informationen zu bekommen und sich eng mit Katrin Balter abzusprechen. Aber je mehr er recherchiert und Gespräche führt, desto unklarer stellt sich ihm die Gesamtsituation dar. Er findet Hinweise auf alle möglichen Entwicklungen und Einschätzungen und genau das verstärkt sein ungutes Gefühl. Der Gesellschafterversammlung gegenüber will er sich weiter seiner Sache sicher zeigen und auch seine Führungsmannschaft braucht doch jetzt einen starken Kapitän, der sie durch den Sturm der Zeit leitet. Doch im Inneren? Da wütet ein Kampf in ihm. Am Abend spürt er es deutlicher und er grübelt lange vor dem Einschlafen. Immer häufiger wacht er in der Nacht auf und sofort fangen seine Gedanken wieder an zu kreisen. Soll er den Schritt gehen und die Entscheidung umsetzen oder ist es besser noch zuzuwarten? Doch wie lange noch? Und was, wenn durch eine Verschiebung alles nur noch kritischer wird?

Wird er weiterhin die Unterstützung seiner Führungsmannschaft haben, wenn er sie im Veränderungsprozess noch mehr fordert als bislang schon? Sie können sich keinen langen Produktionsausfall leisten, es muss alles rasch umgestellt werden, alle müssen die Zähne noch einmal mehr zusammenbeißen. Seit einigen Tagen steht Markus Hansen morgens auf wie gerädert und funktioniert manchmal nur noch wie eine Maschine.

Die Geschichte könnte entweder mit einem Ausfall von Markus Hansen enden (beispielsweise durch einen Nervenzusammenbruch oder einem Bandscheibenvorfall) oder damit, dass er mit einem Coach zusammentrifft, der ihm hilft, seine Ambiguitätstoleranz zu stärken. Nehmen wir an, Markus Hansen findet den Weg zu einem Coach.

„Was macht Ihre innere Spannung aus? Welche [alten] Muster kommen wieder hoch?“ das könnten Fragen sein, die der Coach Markus Hansen stellt und mit denen er sich während der und zwischen den Coachingsitzungen beschäftigt. Und es wird Hansen klar, dass es das Gefühl der Ohnmacht ist, das ihm zu schaffen macht. Er hat den vertrauten, roten Faden verloren, der ihm schon so oft in Krisenzeiten Halt gegeben hatte. Alle seine bisherigen Strategien von Strukturieren, Planen, Controlling und detailliertem Forecast scheinen angesichts der Vielzahl der Schwierigkeiten und der Komplexität der Probleme kraftlos zu sein. Markus Hansen fühlt sich verlassen und schwach, wie nie zuvor.

Dies ist ein wichtiges Eingeständnis, das Markus Hansen sich vor sich selbst und vor dem Coach macht und das den U-Turn darstellt, weil er sich dem Empfinden stellt und es nicht von sich wegzuhalten versucht.

Wie kann die eigene Ambiguitätstoleranz gestärkt werden?

  • Akzeptanz und Übung

Der erste Schritt zur Stärkung der Ambiguitätstoleranz liegt in der Akzeptanz der Situation. Unsichere und widersprüchliche Situationen sind normal und gehören zum (Führungs-)Alltag und in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen dazu. Gelassenheit kann hier der Schlüssel zum Erfolg sein, um das Spannungsgefühl, welches bei Uneindeutigkeit entsteht, weniger kritisch zu bewerten. Auch kann es hilfreich sein, sich Personen im Umfeld zu suchen, die bereits eine hohe Ambiguitätstoleranz besitzen und sie um Unterstützung bzw. Feedback zu bitten.

  • Reflexion und die Stufen der Ich-Entwicklung

Selbstreflexion kann eine wichtige Methode darstellen, um zu verstehen, wieso es so schwierig ist, gesetzte Grenzen als gegeben hinzunehmen. Darüber hinaus kann es lohnend sein, sich mit dem Konzept der Ich-Entwicklung nach Jane Loevinger zu beschäftigen. Der Übergang von der „eigenbestimmten Stufe 6“ hin zur „relativierenden Stufe 7“ ist dabei besonders entscheidend: In der relativierenden Stufe öffnet man sich für vielfältige Perspektiven und vermag anzuerkennen, dass auch andere Sichtweisen und Lösungen richtig sein können, neben der eigenen bislang bewährten Sicht.

  • Optimismus und Offenheit für Neues

Eine gewisse Portion Optimismus und die Offenheit für neue Erfahrungen helfen uns dabei, mehr Ruhe in Stresssituationen zu gewinnen. Wichtig ist dabei, die bekannte „was wäre, wenn…“-Haltung abzulegen und neue Erfahrungen zuzulassen. Im Rahmen des Persönlichkeitsmodells „Big Five“ zeichnet Menschen mit einer starken Ausprägung der Kategorie „Offenheit für neue Erfahrungen“ aus, dass sie sich für Ungewöhnliches, Neues und „Gedankenexperimente“ interessieren. Sie sind meist unkonventionell, vielfältig zu begeistern und kreativ. Statt auf altbewährte Lösungen zu setzen, verlassen sie gerne mal den traditionellen Weg, denken sich in komplexe Dinge hinein und finden so „by the way“ leichter neue Lösungen.

Wie unterstützt commma dabei?

  • Business Coaching: Wie im Beispiel von Markus Hansen scheinen manche Situationen im Führungsalltag ausweglos zu sein oder Führungskräfte vor nahezu unlösbare Entscheidungen zu stellen. Ein Business Coaching hat zum Ziel, sich auf ein Thema zu konzentrieren, bei dem ein Coachee alleine an seine Grenzen stößt oder von einem gewissen Ohnmachtsgefühl beeinträchtigt wird. Widersprüchliche Situationen oder mehrdeutige Lösungsmöglichkeiten können ein solches Themenfeld darstellen. commma unterstützt durch Reflexionen in die Tiefe, durch Anleitungen und praxisnahe Übungen dabei, die eigene Ambiguitätstoleranz zu stärken.
  • Führungskurs: Als eine der wichtigsten Fähigkeiten einer Führungskraft ist die Stärkung der Ambiguitätstoleranz ein zentrales Thema innerhalb unserer Führungskurse für den Mittelstand. Sie lernen die Grundlagen der Führung und entwickeln eine individuelle Toolbox für verschiedene Führungssituationen. Perspektivenvielfalt und das Entwickeln neuer Handlungsstrategien gehören genauso dazu wie der intensive Austausch mit anderen Führungskräften.
  • Potenzialanalyse: Eine Potenzialanalyse bei commma gibt Aufschluss über die Persönlichkeit von Mitarbeitenden und Führungskräften – wozu auch individuelle Stärken und Lernfelder zählen. Ein tiefenorientiertes Experteninterview ermöglicht es uns, ein vielschichtiges Bild der Persönlichkeit zu erstellen und eine fundierte Stärken-Schwächen-Analyse inklusive Empfehlungen zu entwickeln. Die Ermittlung der Ambiguitätstoleranz bildet dabei einen wichtigen Teilbereich ab.
  • Resilienztraining: Mithilfe unseres kompakten Resilienztrainings lassen sich kurzfristig Kräfte mobilisieren und die Aufmerksamkeit in positiver Weise wieder auf den Moment und den eigenen Atem lenken. Das tut Mitarbeitern wie Führungskräften in oder nach einer anstrengenden Arbeitsphase besonders gut. Das Resilienztraining bietet sich als idealer Begleiter der oben genannten Maßnahmen an.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Stärkung Ihrer Ambiguitätstoleranz und der, Ihres Teams. Nehmen Sie hier Kontakt mit uns auf.

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Die Autorin

Franziska Just commma

Franziska Just

Franziska Just unterstützt das commma Team seit April 2021 und geht so neben dem Masterstudium im Fach Corporate Communication Management ihrem Interesse an der Personalentwicklung nach. Empathie, Beigeisterungsfähigkeit und Neugierde zeichnen sie im Umgang mit ihren Mitmenschen aus und bilden gemeinsam mit ihren bisherigen Erfahrungen im Online Marketing die Grundlage ihrer Texte.