Führung von Remote Teams

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Arbeitswelt im Wandel

Herausforderungen beim Arbeiten und Führen in Remote-Teams meistern – Teil I

Die einen lieben es, die anderen hassen es – beim remote work scheiden sich die Geister. Kaum ein Thema spaltet die Arbeitswelt seit 2020 in diesem Ausmaß.

Wie kommt es zu dieser Spaltung, und was sagen wissenschaftliche Studien zu diesem Thema? Wie kann das Arbeiten in remoten Teams gelingen? Und ist das Home Office wirklich die Arbeitsform der Zukunft?

In Teil 1 unseres Beitrages zu den Schwierigkeiten von remote arbeitenden Teams beschäftigen wir uns mit der Work-Life-Balance im Home Office, Zoom Fatigue und dem Wissensaustausch untereinander.

1. Rückblick Pandemie: Führung von Remote Teams wird die Regel

Um das Thema remotes Arbeiten zu verstehen, muss man zunächst einmal in die Vergangenheit schauen. Vor der Pandemie haben nur etwa 15% der US-Amerikaner remote gearbeitet[1]. Im April 2020 waren es dann 50%. In der EU waren es 2019 5,4% (Quelle: Eurostat). Die höchsten Zahlen im Home – Office erreichten Finnland und die Niederlande, mit 14,1%[2].

Zu Beginn der Pandemie war der Übergang der Arbeit vor Ort zum Homeoffice für ein Fünftel der Personalleiter eine Herausforderung[3]. Die größten Bedenken der Führungskräfte waren im Jahr 2019 die geringere Produktivität der Mitarbeiter im Homeoffice (82 %) und eine geringere Konzentration der Mitarbeiter (82 %)[4].

Tatsächlich berichteten einige Angestellte in der Pandemie Störfaktoren aus der Umwelt, die der Konzentration abträglich waren, wie zum Beispiel ein Klingeln an der Tür, sowie Ablenkungen durch Haustiere oder Kinder[5]. Besonders schwer hatten es Eltern, die über keinen geeigneten Arbeitsplatz verfügten[6].

2. Herausforderungen bei hybriden Arbeitsmodellen

Die folgenden Unterpunkte beschreiben die unterschiedlichen Perspektiven von Führungskräften und Angestellten auf hybride Arbeitsmodelle und behandeln persönliche Probleme, die in Zusammenhang mit der Arbeit aus dem Homeoffice aufgetreten sind. Sie stammen aus verschiedenen wissenschaftlichen Studien aus den vergangenen Jahren und wurden in gekürzter Form zusammengefasst.

  1. Autonomieparadoxon und Work-Life-Balance
  2. Zoom Fatigue
  3. Mangel an Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern

 

Autonomieparadoxon und Work-Life-Balance

Kein Pendeln, kein Stau, stattdessen direkt vom Bürostuhl aufs Sofa: Man sollte meinen, dass remote zu arbeiten zu einer besseren Work – Life – Balance führt – falsch gedacht! Interessanterweise hat das remote Arbeiten bei vielen Angestellten zu erhöhtem Stress bis hin zum Burnout geführt. Doch wie kommt das?

Feste Bürozeiten gibt es im Homeoffice häufig nicht. Dies führt dazu, dass auch nach den klassischen Bürozeiten noch Emails an Kolleg*innen, Vorgesetzte und Angestellte gesendet werden. Schaffen die Angestellten und Kolleg*innen es nicht, sich davon zu distanzieren und feste Ruhezeiten einzuhalten, können sie den Druck verspüren, auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten auf Mails antworten zu müssen. Die flexiblen Arbeitsregelungen können auch zu einer Intensivierung der Arbeit führen, selbst wenn es sich um hochgradig autonome Arbeitnehmer handelt (eine Situation, die als Autonomieparadoxon bekannt ist); außerdem können die Arbeitszeitmuster bei Fernarbeitern unregelmäßiger und unvorhersehbarer sein, was genau das Gegenteil von Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben verstärkt.

Mitarbeiter*innen, die sich ständig „on“ fühlen, haben ein höheres Burnout-Risiko, wenn sie von zu Hause aus arbeiten, als wenn sie wie üblich ins Büro gehen. Langfristig gesehen ist es nicht nur kontraproduktiv, sondern auch schädlich für unser Wohlbefinden, wenn wir versuchen, die Arbeit und die Beantwortung von Emails immer dann zu erledigen, wenn wir ein paar Minuten Zeit dafür haben – während des Mittagsschlafs, am Wochenende oder wenn wir einen Film am Abend unterbrechen. Wir alle müssen neue Wege finden – und anderen dabei helfen, dasselbe zu tun -, um uns Zeit und geistigen Freiraum außerhalb der Arbeit zu verschaffen.

Allgemein ist es empfehlenswert, nach regulären Bürozeiten keine Mails mehr senden, und klar zu kommunizieren, dass keine sofortige Reaktion erwartet wird, wenn doch mal eine Mail nach den Kernarbeitszeiten gesendet wird. Flexible Arbeitszeiten sollten grundsätzlich möglich gemacht werden, je nachdem, was zur Lebenssituation der Mitarbeiter*innen passt.

 

Zoom Fatigue

Ein Problem, über das in der Pandemie häufiger berichtet wurde, ist Zoom Fatigue[7]. Doch was ist Zoom Fatigue?

Die Zoom Fatigue wird auch als Videokonferenz-Erschöpfung bezeichnet. Zoom ist ein Unternehmen aus dem Silicon Valley, welches Videokonferenzen von bis zu 1000 Teilnehmer*innen und die Anzeige von bis zu 49 Videos auf einem Bildschirm möglich macht.[8] Verständlich, dass das unser Gehirn ganz schön beansprucht. Aber wie genau entsteht Zoom Fatigue, und warum ausgerechnet in Videokonferenzen?

Die „Ermüdung“ kann man am besten durch die Art und Weise erklären, wie wir Informationen Videokonferenzen verarbeiten. Bei einem Videogespräch können wir nur zeigen, dass wir aufmerksam sind, indem wir in die Kamera schauen. Aber wie oft stehen wir im echten Leben nur einen Meter von Kolleg*innen entfernt und starren ihnen ins Gesicht? Wahrscheinlich nie. Das liegt daran, dass uns der „ständige Blick“ unangenehm ist – und uns müde macht.

Bei einem persönlichen Gespräch können wir unsere periphere Sicht nutzen, um aus dem Fenster zu schauen oder andere im Raum zu beobachten. Wenn wir uns bei einem Videoanruf umdrehen, um aus dem Fenster zu schauen, befürchten wir, dass es so aussehen könnte, als würden wir nicht aufpassen, weil wir alle in verschiedenen Wohnungen sitzen. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten von uns auf ein kleines Fenster von sich selbst starren, sodass wir uns jeder Falte und jeder Mimik (und ihrer möglichen Interpretation) übermäßig bewusst sind. Ohne die visuellen Pausen, die wir brauchen, um uns neu zu konzentrieren, ermüdet unser Gehirn schneller[9].

Wie kann man Zoom Fatigue vermeiden? Ein ganz einfacher Tipp: nicht zu viele Videokonferenzen hintereinander planen. Es sollte erlaubt sein, die Kamera auch mal für eine Weile ausgeschaltet zu lassen. Gespräche, die nur am Telefon stattfinden, sollten grundsätzlich möglich sein.

Motiviere deine Mitarbeiter*innen dazu, bei besonders langen Meetings auch spazieren zu gehen und sich an der Luft zu bewegen, um Zoom Fatigue zu vermeiden. Natürlich nur, wenn es die Situation zulässt! Es kann beispielsweise sein, dass mindestens eine Person immer ein Protokoll verfassen muss und sich daher nicht vom Schreibtisch entfernen kann. Es wäre jedoch denkbar, dass diese Aufgabe abwechselnd erledigt wird, um allen die Möglichkeit zu geben, sich zu bewegen.

 

Mangel an Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern

Eine Studie von Microsoft zeigt, dass remote und hybride Arbeitsmodelle ein Hindernis für Innovation darstellt, da die Netzwerke der Arbeitnehmer*innen statischer und isolierter werden und es weniger Brücken zwischen den verschiedenen Teilen eines Unternehmens gibt[10]. Die Arbeitnehmer*innen sind weniger oft mit neuen Informationen konfrontiert. Während die asynchrone Kommunikation zunimmt, nimmt die synchrone Kommunikation ab, was es den Arbeitnehmer*innen erschwert, komplexere Informationen auszutauschen, sich über die Bedeutung von Informationen zu verständigen und Beziehungen aufzubauen.

In einer Studie aus dem Jahr 2022 erklärte eine befragte Person dies wie folgt: Online – Meetings sind strukturierter und benötigen weniger Zeit, aber die Kreativität geht dabei flöten. Feinere Nuancen werden im Gespräch nicht mehr wahrgenommen, komplexe Probleme werden vereinfacht, da die Online – Meetings eine gerade Linie erfordern.

Während bei traditionellen Arbeitsmodellen Personen aus verschiedenen Teams in den Pausen aufeinandertreffen, finden Pausen im Online-Setting nur noch mit dem eigenen Team statt. Besonders schwierig war dies für Angestellte und Führungskräfte, die es gewohnt waren, vor Ort teamübergreifend zu arbeiten.

Teilnehmer*innen dieser Studie gaben auch an, dass sie nicht mehr über ein differenziertes und gründliches Verständnis über organisatorische Aspekte des Unternehmens verfügten, da die meisten Informationen in schriftlicher Form kommuniziert wurden, was zu dem allgemeinen Gefühl der Abkopplung von der Organisation beitrug. Es wurde außerdem kritisiert, dass Werkzeuge und Fähigkeiten für die Online-Zusammenarbeit und kreative Aktivitäten unzureichend waren.

Es wurde berichtet, dass mehr proaktives Verhalten notwendig war, um den Wissensaustausch zu gewährleisten. Der informelle Informationsaustausch, der zuvor organisch im Büro stattfand, wurde in Form von Online-Kaffeepausen eingeplant. Teilnehmer*innen zufolge war es sehr hilfreich, bewusst Zeit für den Wissensaustausch einzuplanen[11].

Es kann zudem hilfreich sein, klare Protokolle für die Dokumentation und den Wissensaustausch festzulegen. Fördere die Verwendung und das Erstellen von Tutorials, digitalen Repositories, Wikis und Tools für die Zusammenarbeit, um sicherzustellen, dass Informationen allen Teamvertreter*innen unabhängig von Standort oder Zeitzone zur Verfügung stehen[12]. Dies kann vor allem beim digitalen Onboarding neuer Mitarbeiter*innen helfen. Diese können dann, wenn sie Fragen haben, zunächst die Tutorials und Wikis durchstöbern, und finden so selbst die Lösung für ihr Problem.

3. Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass es sich lohnt, sich mit den Herausforderungen im Home Office zu beschäftigen, um sich frühzeitig Konzepte und Strategien zu überlegen, damit der Wechsel in hybride Arbeitsmodelle möglichst reibungslos gelingt.

Flexible Arbeitsregelungen können zu einer Intensivierung der Arbeit bis hin zum Burnout führen, da die Angestellte eventuell das Gefühl haben, tagsüber nicht genug geleistet zu haben, oder denken, dass sie sofort auf Emails reagieren müssen, die nach den regulären Arbeitszeiten verschickt wurden. Gehe nicht davon aus, dass jeder über dieses Phänomen bescheid weiß, und sprich deine Mitarbeiter*innen ruhig auf das Autonomieparadoxon an! Ermutige sie dazu, dir mitzuteilen, wenn sie sich überfordert fühlen, oder sprich sie selbst an, wenn du das Gefühl hast, dass sie häufig spät in der Nacht noch geschäftliche Emails senden. Es kann außerdem helfen, klare Kommunikationsregeln zu vereinbaren.

Bei der Planung von Online-Meetings kann es hilfreich sein, genügend Pausen zu integrieren, und ggf. auch mal das Video aus zu lassen, damit es nicht zu Zoom-Fatigue kommt.

Es ist die Aufgabe des Unternehmens, sich Methoden und Tools zu überlegen, die den Wissensaustausch zwischen verschiedenen Abteilungen und Personen möglich machen. Sei proaktiv und gehe mit gutem Beispiel voran, indem du Lösungen für regelmäßig auftretende Probleme schriftlich festhältst und allen zur Verfügung stellst.

Führungskräfte müssen in der Zukunft ihre Kompetenzen weiterentwickeln, um die Motivation und Effizienz ihrer remote arbeitenden Teams zu erhalten oder sogar zu steigern. Immer mehr Arbeitsuchende wünschen sich mehr Flexibilität und bevorzugen Arbeitgeber, die dies möglich machen. Daher ist es dringend notwendig, sich gedanklich auf den Wandel einzulassen, um vor Ort wie auch remote das eigene Team ohne Qualitätsunterschiede anzuleiten, zu unterstützen und anzuspornen.

commma Personalentwicklung bietet Coachings für Teams und Führungskräfte und lehrt die Skills, die notwendig sind, um ein Team in einem Remote- oder Hybrid-Arbeitsmodell zu führen. Gerne helfen wir dir dabei, hybride Teams zu koordinieren und stärken dich in deiner Rolle als Führungskraft. Kontaktiere uns für ein persönliches und unverbindliches Gespräch.

4. Ausblick auf Teil II

In Teil 2 unseres Beitrages werden wir uns mehr auf die zwischenmenschliche Ebene begeben! Wir sehen uns den Mangel an Zusammengehörigkeitsgefühl im Team, sowie auch die Schwierigkeiten in der Leistungsbeurteilung durch die Führungskraft genauer an.

[1] https://sloanreview.mit.edu/article/five-ways-leaders-can-support-remote-work/

[2] https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/DDN-20200424-1#:~:text=In%202019%2C%205.4%25%20of%20employed,2009%20to%209.0%25%20in%202019.)

[3] The COVID-19 Pulse of HR survey was conducted by CultureX, Josh Bersin, and Waggl between April 19 and April 29, 2020

[4] https://resources.owllabs.com/state-of-remote-work/2019

[5] (American Psychiatric Association, n.d.; Giurge & Bohns, 2020; Gorlick, 2020; Querstret & Cropley, 2012; Van Buggenhout et al., 2020)

[6] (Gorlick, 2020)

[7] Fosslien & Duffy, 2020

[8] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/zoom-fatigue-123172/version-384487

Revision von Zoom-Fatigue vom 09.07.2021 – 13:59

[9] https://hbr.org/2020/04/how-to-combat-zoom-fatigue

[10] Yang, L.; Holtz, D.; Jaffe, S.; Suri, S.; Sinha, S.;Weston, J.; Joyce, C.; Shah, N.; Sherman, K.; Hecht, B.; et al. The effects of remote work on collaboration among information workers. Nat. Hum. Behav. 2021, 1–12.

[11] Babapour Chafi, M.; Hultberg, A.; Bozic Yams, N. Post-Pandemic OfficeWork: Perceived Challenges and Opportunities for a SustainableWork Environment. Sustainability 2022, 14, 294.

https://doi.org/10.3390/su14010294

[12] Haque, Shamoel. (2023). THE IMPACT OF REMOTE WORK ON HR PRACTICES: NAVIGATING CHALLENGES, EMBRACING OPPORTUNITIES. European Journal of Human Resource Management Studies. 7. 10.46827/ejhrms.v7i1.1549.

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Die Autorin

Aylin Aslantas

Aylin Aslantas bereichert das Team seit 2024 mit ihrer Expertise in der Mediengestaltung und ihrer Leidenschaft für Psychologie. Ihr offener Geist ermöglicht es ihr, innovative Lösungen zu finden und dabei ihrem Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“ treu zu bleiben. Neben ihrem Engagement im Unternehmen für Social Media widmet sie sich intensiv ihrem Psychologiestudium und reist in ihrer Freizeit gerne, um andere Kulturen kennenzulernen. Die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ist für sie eine Herzensangelegenheit, die sie in all ihren Tätigkeiten vorantreibt.